In Nordrhein-Westfalen beteiligen sich ehrenamtliche Richterinnen und Richter an der Rechtsprechung sowohl bei den Verwaltungsgerichten als auch beim Oberverwaltungsgericht. Die rechtlichen Grundlagen ihrer Arbeit sind in §§ 19-34 VwGO festgelegt. Durch ihre Mitwirkung wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsprechung gestärkt. Damit die Rechtsprechung ein lebendiger Teil der Gesellschaft sein kann, muss sie für die Bürgerinnen und Bürger verständlich sein.
Je nach Zuständigkeit haben ehrenamtliche Richter unterschiedliche Bezeichnungen: In Deutschland heißen ehrenamtliche Richter gemäß § 45a Deutsches Richtergesetz (DRiG) in der Strafgerichtsbarkeit Schöffe, bei den Kammern für Handelssachen Handelsrichter oder bei den Fachgerichten (Arbeitsgericht, Finanzgericht, Sozialgericht oder Verwaltungsgericht) ehrenamtliche Richter.
Ehrenamtliche Richterinnen und Richter tragen dazu bei, indem sie außerrechtliche Erfahrungen und Überlegungen in den Entscheidungsprozess einbringen und die Berufsrichterinnen und Berufsrichter dazu zwingen, ihre Argumente auch an diesen Einwänden zu messen, um die Richtigkeit ihrer Erkenntnisse und die Überzeugungskraft ihrer Argumente zu überprüfen.
I. Strafgerichtsbarkeit (Schöffen und Jugendschöffen)
Die ehrenamtlichen Richter in Strafsachen tragen die Bezeichnung „Schöffen“ bzw. in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende die Bezeichnung „Jugendschöffen“.
1. Wahl
Alle 5 Jahre stellen die Gemeinden für die Schöffen in Strafsachen und die Jugendhilfeausschüsse für die Jugendschöffen sog. Vorschlagslisten auf, aus denen ein Schöffenwahlausschuss beim Amtsgericht die Schöffen für die Jugend- und die Erwachsenengerichte wählt. Schöffe kann jeder Deutsche werden, der am Tag des Amtsbeginns mindestens 25 und nicht älter als 69 Jahre ist. Bestimmte Gründe (Angehörige eines Justizberufes, Vorstrafen, Insolvenz usw. schließen vom Amt aus. Der Gewählte muss das Amt annehmen.
2. Einsatz
Schöffen kommen in den Strafsachen erster Instanz bei den Amts- und Landgerichten sowie den Berufungsverfahren beim Landgericht zum Einsatz. Es sind jeweils 2 Schöffen im Einsatz; dazu kommen je nach Spruchkörper 1, 2 oder 3 Berufsrichter.
II. Verwaltungsgerichtsbarkeit
1. Wahl
Die (Land-)Kreise und kreisfreien Städte stellen in jedem fünften Jahr eine Vorschlagsliste für die Wahl der ehrenamtlichen Richter im jeweiligen Gerichtsbezirk auf. Aus diesen Listen wählt der Wahlausschuss dann die erforderliche Anzahl ehrenamtlicher Richter für die fünfjährige Amtszeit.
2. Einsatz
Ehrenamtliche Richter werden in erster Instanz bei den Verwaltungsgerichten eingesetzt. Ob an den Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen ehrenamtliche Richter tätig sind, überlässt § 9 Abs. 3 VwGO dem Landesrecht. Keine ehrenamtlichen Richter in der 2. Instanz haben Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen und das Saarland.
III. Arbeitsgerichtsbarkeit
An den arbeitsgerichtlichen Verfahren nehmen immer ein Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber teil.
1. Berufung
Ehrenamtliche Richter werden von den zuständigen Ministerien aus Vorschlagslisten berufen, die von Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen eingereicht werden. Für das Arbeitsgericht besteht ein Mindestalter von 25 Jahren, ehrenamtliche Richter beim Landesarbeitsgericht müssen das 30. Lebensjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre ehrenamtliche Richter eines Gerichts erster Instanz gewesen sein. Ehrenamtliche Richter beim Bundesarbeitsgericht müssen mindestens 35. Lebensjahr alt sein, besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und des Arbeitslebens besitzen und mindestens fünf Jahre ehrenamtliche Richter eines Gerichts für Arbeitssachen sowie längere Zeit in Deutschland als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber tätig gewesen sein.
2. Einsatz
Ehrenamtliche Richter sind in allen Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit vertreten. Da sowohl beim Arbeits- wie beim Landesarbeitsgericht jeweils nur der Vorsitzende Berufsrichter ist, haben die Ehrenamtlichen in zwei Instanzen die Mehrheit gegenüber dem Berufsrichter.
IV. Handelsrichter
Bei den Landgerichten entscheiden spezielle Kammern für Handelssachen über Streitigkeiten zwischen Kaufleuten. In diesen Kammern sind Kaufleute als ehrenamtliche Richter tätig, die die Bezeichnung „Handelsrichter“ tragen.
1. Ernennung
Zum Handelsrichter kann jeder Deutsche ernannt werden, der das 30. Lebensjahr vollendet hat und Kaufmann, Vorstandsmitglied, Geschäftsführer Prokurist eines Unternehmens ist. Die Handelsrichter werden auf Vorschlag der Industrie- und Handelskammer für die Dauer von fünf Jahren ernannt.
2. Einsatz
Das Präsidium des Landgerichts weist den einzelnen Kammern für Handelssachen die ehrenamtlichen Richter zu. Der Vorsitzende der Kammer nimmt danach die kammerinterne Verteilung der Ehrenamtlichen auf die einzelnen Sitzungstage vor. Eine Handelskammer besteht aus 1 Berufs- und 2 Handelsrichtern.
V. Landwirtschaftsgerichte
Über Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landwirtschaftsrechts entscheiden neben Berufsrichtern auch Vertreter aus der Landwirtschaft als ehrenamtliche Richter.
1. Berufung
Die ehrenamtlichen Richter werden von einer landwirtschaftlichen Organisation, die im Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft vertreten ist, vorgeschlagen und vom Präsidenten des Oberlandesgerichts auf die Dauer von fünf Jahren berufen. In die Vorschlagslisten werden nur Deutsche aufgenommen, die die Landwirtschaft im Gerichtsbezirk selbständig im Haupt- oder Nebenberuf ausüben oder ausgeübt haben.
2. Einsatz
Die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter vor den Gerichten für Landwirtschaftssachen erfolgt nach einer vom Vorsitzenden des Gerichts aufzustellenden Liste. Ehrenamtliche Richter sind an den Landwirtschaftsgerichten in allen Instanzen des landwirtschaftlichen Verfahrens beteiligt. Das Landwirtschaftsgericht wird in der Regel mit einem Richter am Amtsgericht als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. Die Senate der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs entscheiden in der Besetzung mit drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern.
VI. Sozialgerichtsbarkeit
Jedes Sozialgericht besteht aus dem Berufsrichter als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Beisitzern. Die ehrenamtlichen Richter müssen Arbeitgeber oder Versicherter, Arbeitnehmer oder Selbstständiger, Behinderter, Vertragsarzt oder Psychotherapeut sein.
1. Berufung
Die ehrenamtlichen Richter werden vom Landessozialgericht aufgrund von Vorschlagslisten berufen. Vorschlagsberechtigt sind dabei insbesondere in Angelegenheiten der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
2. Einsatz
Den jeweiligen Spruchkörpern werden entsprechend dem jeweiligen Rechtsgebiet ehrenamtliche Richter zugeteilt. In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung können nur Versicherte und Arbeitgeber vertreten sein, die paritätisch in der Kammer vertreten sind. In den Fachkammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken ehrenamtliche Richter mit, von denen einer mit dem Entschädigungsrecht oder der Teilhabe behinderter Menschen vertraut sein muss. Der zweite ehrenamtliche Richter wird aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder der Versicherten berufen. Die ehrenamtlichen Richter der Fachkammer für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts stammen aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertrags(Zahn)Ärzte und Physiotherapeuten.
VII. Finanzgerichtsbarkeit
Ehrenamtliche Finanzrichter müssen keine Steuerexperten sein, sollten sich aber mit den Gebräuchen im allgemeinen Geschäftsleben auskennen. Sie wirken bei den Senaten der Finanzgerichte mit, und zwar jeweils zwei ehrenamtliche Richter mit drei Berufsrichtern.
1. Wahl
Die ehrenamtlichen Richter müssen Deutsche sein, das 30. Lebensjahr vollendet haben und den Wohnsitz oder eine gewerbliche oder berufliche Niederlassung innerhalb des Gerichtsbezirks haben. Sie werden von einem Wahlausschuss aus einer Vorschlagsliste gewählt, die vom Präsidenten des Finanzgerichtes aufgestellt wird. Vor der Aufstellung der Liste sollen die Berufsvertretungen (Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Vertretungen der freien Berufe, Bauernverbände usw.) gehört werden.
2. Einsatz
Die Reihenfolge der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zu den einzelnen Terminen bestimmt jährlich vor Beginn des Geschäftsjahres das Präsidium des Finanzgerichts durch Aufstellung einer Liste.
VIII. Andere Gerichte - Überblick
Es gibt weitere Gerichte, an denen ehrenamtliche Richter als Vertreter der Betroffenen tätig sind wie etwa die Wehrdienstgerichte für disziplinar-gerichtliche Verfahren gegen Soldaten oder die Berufsgerichte für die Ahndung von Verhaltensweisen, die mit dem Ansehen des Berufes nicht vereinbar sind.
IX. Allgemeine Rechtsstellung ehrenamtlicher Richter
In der Strafgerichtsbarkeit sind über 60.000 Schöffen tätig, in allen Gerichtsbarkeiten zusammen weit über 100.000 ehrenamtliche Richter. Sie werden jeweils für die Dauer von fünf Jahren gewählt oder berufen. Sie sind in Rechten und Pflichten den Berufsrichtern gleichgestellt, soweit nicht im Einzelfall eine Ausnahme ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Sie haben das gleiche Stimmrecht, Ihnen ist die richterliche Unabhängigkeit garantiert. Ehrenamtliche Richter erhalten keine Vergütung. Für den zeitlichen und tatsächlichen Aufwand erhalten ehrenamtliche Richter eine Entschädigung.
X. Schiedspersonen (Friedensrichter)
Die Aufgaben der Schiedspersonen (in Sachsen Friedensrichter) werden im jeweiligen Landesrecht geregelt. Sie werden zur vor- und außergerichtlichen Klärung bestimmter Rechtsstreitigkeiten tätig. So muss bei einigen Straftaten (sog. Privatklagedelikte) vor einem Gerichtsverfahren ein Güteverfahren durchgeführt werden. Das Schiedsamt kann aber auch zur Klärung vermögensrechtlicher Streitigkeiten tätig werden. Die Schiedspersonen führen dann Schlichtungsverhandlungen durch, deren Ziel es ist, die Differenzen, die zwischen den Parteien bestehen, durch einen Vergleich beizulegen.